Körperproportionen verstehen und zeichnen
Kann man Körper frei aus dem Kopf zeichnen? Lange Zeit erschien mir dies unmöglich. Wenn wir jedoch den Grundaufbau eines Körpers studieren und die Regeln der Körperproportionen meistern, ist es in der Tat möglich. Darüber hinaus wird dieses Wissen besonders hilfreich sein, wenn wir nicht aus dem Kopf, sondern von einer Vorlage zeichnen. Denn wer seine Vorlage genauestens versteht, wird sie automatisch auch besser zeichnen können.
Schon immer versuchten Menschen, Schönheit zu definieren und es ist kein Geheimnis, dass in diesem Zusammenhang immer wieder Symmetrie erwähnt wird.
Wer sich mit Kunst im geschichtlichen Kontext befasst, wird daher eher oder später auf die Proportionslehre stoßen. Hierbei wird der Versuch unternommen, die menschliche Anatomie durch Regeln zu definieren, z. B. werden Größen, Längen oder Abstände von und zwischen Körperteilen klar definiert.
Es ist unvorstellbar, wie viele Menschen im Laufe der Geschichte Studien über Körperproportionen gezeichnet haben müssen. Eine der wohl bekanntesten Studien zu dieser Thematik ist wohl das Werk von Leonardo da Vinci. Hierbei hat da Vinci den menschlichen Körper in Bezug zu Kreis und Quadrat gestellt und folgte dabei dem Konzept von Vitruv (ein römischer Ingenieur, Architekt und Architekturtheoretiker), bei dem der gesamte Körper in 8 Kopflängen unterteilt wird. Diese Darstellung idealisierter Proportionen nennt man daher auch vitruvianischer Mensch.
Leonardo da Vinci, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Proportionen nach Vitruv haben sich lange Zeit durchgesetzt, dennoch werden wir uns für unsere erste Übung rebellisch verhalten und anstelle von 8 Kopflängen 7,5 Kopflängen nutzen.
Für unsere Übung zeichnen wir zunächst nur die Umrisse eines einfachen Körpers ohne jegliche Details, der gerade steht und uns zugewandt ist. Wir ziehen eine vertikale Linie, die wir in 7,5 Einheiten teilen. Jede Einheit bietet Raum für bestimmte Teile des Körpers.
Die Einheiten sind (von oben nach unten):
Diese sehr einfache Darstellung eines Körpers wird ein hilfreiches Werkzeug für den nächsten Schritt unserer Übung sein.
Für spätere Zeichnungen müssen wir uns nicht immer strikt an 7,5 Kopflängen halten, denn Menschen sind verschieden und Abweichungen sind normal. Für den Anfang ist es aber dennoch gut, diese Grundlagen zu üben und anwenden zu können. Eines Tages werden wir die Proportionen sogar so gut verinnerlicht haben, dass wir gar nicht mehr auf derartige Hilfen angewiesen sind.
Skizze menschlicher Körper vorne und hinten, Depositphotos
Für diesen Schritt brauchen wir unsere soeben gezeichnete einfache Darstellung sowie eine Vorlage eines beliebigen Körpers. Diese können wir selbst sein, ein freiwilliges Model (eher selten zu finden) oder ein Foto.
Wir ziehen erneut Markierungen für 7,5 Einheiten auf unserem Papier und arbeiten uns anschließend beim Skizzieren von einer Einheit zur nächsten voran. Das tolle hierbei ist, dass wir uns immer genau auf einen Bereich unserer Vorlage konzentrieren können und gleichzeitig die Proportionen einhalten. Zur Skizze gehören Umrisse sowie Markierungen für Schatten, Falten oder andere Auffälligkeiten. Ist die Skizze fertig, können wir uns dem Schattieren bzw. Schraffieren widmen.
Egal welche Körperform wir zeichnen möchten, sie alle kann man mit dieser Vorgehensweise proportional korrekt zeichnen.
Ich würde empfehlen, mit unterschiedlichen Vorlagen zu üben. Wir werden feststellen, dass selbst verschiedenste Körper ähnlich gezeichnet werden, denn allgemein verfolgt man immer die gleichen Regeln: Umrisse erfassen, Form verstehen, Schattieren.